"j": start of construction 1975, finished 1976 … and still running

Oaxaca und ein Erdbeben

01.09. – 04.09.
Tage zuvor hat mir Michelle in Morelia gesagt: Du mußt unbedingt nach Oaxaca fahren. Du mußt unbedingt Hierve el Agua ansehen. Was sie nicht gesagt hat ist, dass ich mir auf dem Weg dorthin beinahe in die Hosen machen werde. Etwa 50 km nach Playa Ventura geht es wieder in die Berge .. und wie. Auf etwa 200 der 450km Tagesetappe finden sich nur Kurven. Die enge Straße ist oft in einem desolaten Zustand. Entweder durch Wasser zerstört, nur aus Schotter bestehend, mit Schlaglöchern übersät, halb mit Erdrutschen versperrt oder ausgebrochen. Auf weiten Teilen geht links der Berg hoch und rechts die Schlucht runter. Ich sitze verkrampft auf dem Motorrad und wage den Blick nicht von der Straße zu nehmen. Als es dann auch noch kurz zu regnen beginnt, kralle ich mich direkt an meinem Motorrad fest. „Das hat es wieder notwendig gehabt. Warum bist du Depp nicht an der Küste geblieben?“ Zeitweise fahre ich mit 35-40 km/h dahin. Irgendwann auf 2.500m Seehöhe befinde ich mich in der dichten Wolkendecke. Ich sehe zwar keine 20m weit, aber seltsamerweise bin ich etwas beruhigt, weil ich den Abgrund nicht mehr sehe.
Die Bevölkerung ist in dieser Gegend von einem anderem Schlag, die Gesichtszüge sind anders, auch die Trachten. Mir kommt vor, sie stammen von einer älteren Kultur ab. Ich muß das aber selbst noch nachlesen.

Vier Nächte in Oaxaca. Wobei ein Tag ungewollt war. Auf dem Ausflug nach Monte Albán und das etwa 60 km entfernte Hierve el Agua hat mich ein starker Regenschauer erwischt und ich muß die Kleidung trocknen lassen.
Monte Albán liegt etwa 10km von Oaxaca entfernt auf einem Bergwipfel und war die Hauptstadt und das religiöse Zentrum der Zapoteken, welche zur Urbevölkerung Mexikos gehörten.
Hierve el Agua sind zwei Felsformationen mit ca. 50 bis 100 Metern Höhe, die sich durch das sehr Kalziumkarbonat-hältige Wasser gebildet haben. Das wird wohl seine Zeit gedauert haben.

Oaxaca habe ich als sehr gemütlich empfunden. Es ist erstaunlich, wie schnell man „bequem“ wird, wenn man einen Platz findet, an dem man sich wohl fühlt, und es als „mühsam“ empfunden wird, wieder die Sachen zu packen und weiter zu ziehen.

In Oaxaca treffe ich das erste Mal, seit ich in Mexico bin, auf andere Touristen, auf ziemlich viele sogar. Ich  komme mir mal nicht wie ein Alien vor, wie an so vielen anderen Orten.

Die lebhafte Stadt fördert auch eine andere Seite zu Tage. Kinder, sie können kaum älter als 8 oder 9 Jahre sein, die als Schuhputzer unterwegs sind oder Halsketten und anderen Ramsch verkaufen wollen, ältere Omas die auf ihren Stöcken durch die Gegend laufen und Decken oder handgebastelte Puppen anbieten. Bettler die auf dem Gehsteig sitzen. Manchmal gebe ich ein wenig, wenn mir die Verzweiflung sehr groß erscheint.

Der Klein-Handel hat in Mexiko eine sehr ausgeprägte Form. Man findet hier auf den Straßen und in den Märkten nur kleine Stände. Oft ist es nur ein Korb mit Bäckereien, Handwerk, Süßigkeiten mit dem Personen durch die Gegend laufen oder auf den Straßen auf Stiegen sitzend, darauf warten, dass jemand zugreift.

05.09.
Den vorletzten Tag verbringe ich in Tehuantepec, eine etwas kleinere Stadt. Es ist heiß und schwül. Nach einem kurzen Spaziergang halte auch ich etwas Siesta. Am frühen Abend sehe ich auf einem öffentlichen Platz Jugendlichen beim Marschieren und Trommeln zu. Ich nehme an, sie üben für den Unabhängigkeitstag am 16.September.

Essen gehen ist noch immer spannend. Ich probiere durch. Mit manchen Salsas, mit denen Tortillas und andere Speisen getränkt sind, komme ich geschmacklich nicht zurecht.
Wenn geht esse ich täglich Obst. Das ist zwischendurch eine willkommene Erfrischung. In größeren Stücken geschnittenen Obstsalat wird hier an vielen Ecken angeboten. Mangos, Ananas, Gurken, … gibt es in Plastikbechern oder einfach nur in Plastiktüten, und man höre, üblicherweise scharf. Mit Chillipulver und einer scharfen Salsa. Manchmal wird auch noch eine Limone darüber ausgepresst.

Ich wollte nur einen kleinen Happen zu mir nehmen und bin in ein kleines Restaurant. Vier Tische. „Restaurant“ heißen hier auch die Buden mit einem Ofen und zwei Tischen am Straßenrand. Ich frage nach der Karte. Gibt es nicht. Mir wurden Speisen heruntergeleiert. Pollo frito, also knuspriges Huhn, da ist bestimmt keine Salsa dabei. Das nehme ich. Ich erhalte Suppe. Kann mich nicht erinnern Suppe bestellt zu haben. Zwei andere Tische sind auch noch besetzt. Ich beobachte. Ach so, hier wird ein ganzes Menü geliefert. Auch gut. Die Suppe schmeckt ganz gut. Dann kommt das Hühnchen. Hatte wohl schon 40 Jahre auf dem Buckel. Zum Menü gehört auch ein Getränk, in einem Glas, mit Eiswürfeln. Ich überlege. Aus dem Wasserhahn? Ach was soll’s. Wozu habe ich Tabletten gegen Durchfall mit, kann ich doch auch nicht die ganze Zeit nur so mitschleppen, und nehme einen kräftigen Schluck.

06.09.
Die letzte Nacht gehört Tapachula kurz vor der Grenze zu Guatemala. Die 420 km von Tehuantepec geht es meist nur gerade aus. Die sitze ich auf einer Po-Backe ab .. abwechselnd, weil sie mir schon etwas weh tun.

Man merkt, dass man wieder in die Nähe der Grenze kommt. Während ich Inlands durchgewunken wurde, muß ich hier an den Kontrollen wieder anhalten und auch wieder die Koffer öffnen.

In Tapachula sitze ich am Abend in der Lobby gerade beim Schreiben, als alles heftig zu wackeln beginnt. Un terremoto, ein Erdbeben (mit Stärke 6.5 etwa 30km Luftlinie südlich von hier, wie ich später lese). Es dauert gut 15 bis 20 Sekunden. Alle laufen aus ihren Zimmern und suchen Schutz unter den Türrahmen, auch ich. Nach einigen Minuten folgt ein kurzes schwaches Nachbeben.

Was willst du mir sagen Mexico? Es ist Zeit zu gehen?
Auf Wiedersehen, es hat mir sehr gut gefallen.

Danke fürs Lesen, Jürgen.

Fotos Album Flickr


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