"j": start of construction 1975, finished 1976 … and still running

Knochen brechen

Ha! Hab‘ ich euch dran gekriegt. Mum, entschuldige für den Schreck. Die letzten Beiträge waren ja wohl etwas fad zum Lesen. Da mußte mal wieder ein reisserischer Aufmacher her. Ich persönlich hatte die letzten 2 1/2 Wochen zwar jede Menge Spaß, aber wie vermittelt man so etwas?
Außerdem bin ich seit San Jose bis inklusive Bogota nur knapp 1.000 km gefahren.
Es war wieder Zeit sich wieder auf den Weg zu machen, Zeit für aufregendere Sachen.

04.10.
IMG_0378Es dauert eine Weile aus Bogota rauszukommen. Die Stadt scheint endlos. Der Verkehr ist dicht. Richtung Armenia geht es durch steile Berge und Täler. Viele LKWs schleppen sich langsam die engen kurvigen Straßen hoch und wieder runter. In den unübersichtlichen Kurven steht Personal, ich weiß nicht, ob bezahlt oder unbezahlt. Sie winken den LKW Fahrern zu, die weit ausscheren müssen, ob die Strecke frei ist. Mit dem Motorrad bin ich besser dran. Kurz am Gashebel drehen und ich bin an der langsamen Schlange vorbei. Für ein paar km hat man freie Fahrt, bevor man an der nächsten Schlange hängt. Solche Touren sind sehr anstrengend zu fahren, bei dem wilden Verkehr, den engen Kurven, ständig auf der Hut zu sein. In Armenien falle ich bald müde ins Bett.

In Kolumbien sind sehr sehr viele Motorradfahrer unterwegs. Vom Mofa bis zu größeren Maschinen findet sich alles auf den Straßen. Bei einer roten Ampel oder bei einer Baustelle fahren alle vor. Soweit Platz, stehen dann 15, 20 oder mehr Motorräder wild durcheinander. Springt die Ampel auf grün um oder wird freie Fahrt gegeben wuseln alle, wie Bienen, gleichzeitig los, ich oft mitten drin. Es ist immer wieder lustig.

Als Motorradfahrer zahlt man in Kolumbien keine Maut. Mautstellen gibt es ab und zu auch auf den Landstraßen. Ganz rechts aussen befindet sich eine Motorradspur, wo man einfach durchfährt. Das musste ich auch erst lernen, als ich mich bei der ersten Maustelle in einer der Auto-Spuren einreihe, die Dame aus dem Mauthäuschen raus springt und wild nach rechts deutet.

Mit der Polizei hatte ich bislang noch keinen Kontakt. Noch bin ich nicht aufgehalten worden. Ich habe mir eine „Taktik“ zurechtgelegt. In der Stadt im dichteren Verkehr wähle ich auf mehrspurigen Straßen die zweite oder dritte Spur. Das macht es schwerer rausgewunken zu werden. Man kann sich auch ein wenig hinter größeren Fahrzeugen verstecken. Aber man fällt hier in Kolumbien glaube ich nicht so sehr auf. Viele Motorräder sind mit Lasten bepackt. Aus der Ferne habe ich schon mehrmals gedacht, es handle sich ebenfalls um Reisende. Mir scheint die Polizei bemerkt mich gar nicht richtig. Oder es ist ganz einfach anders als in Zentral Amerika, wo wir ständig aufgehalten wurden.

IMG_0399Brücken und (wahrscheinlich) andere strategische Punkte sind beinahe immer durch Militär beschützt. Manchmal gibt es auch Kontrollpunkte auf der Straße. Bis jetzt bin ich auch dort noch nicht aufgehalten worden. Es sind manchmal drei, vier Soldaten auf einer Entfernung von ca. 50m stationiert. Manchmal gibt es diese Bunker aus Sandsäcken. Wenn ich vorbeifahre, gibt jeder einzelne der Soldaten Daumen hoch Zeichen. Ich grüße zurück. Ich habe noch nicht rausbekommen, was das bedeutet. Vielleicht schießen sie, wenn einer Daumen runter Zeichen gibt.

Mal sehen, ob ich auf Google Streetview sein werde. Irgendwo auf der Strecke, ist mir eines dieser Fahrzeuge mit der Kamera auf dem Dach entgegengekommen.

Die Landschaft ist hügelig, grün, in der Ferne Berge. Es gefällt mir.

05.10.
DSCF1327Von Armenia nach Popayan fahre ich teilweise auf Autobahnen, teilweise gleite ich auf Landstraßen dahin.
Die Navigation ist manchmal etwas spannend. So kommt es vor, dass Straßen im Navigationssystem manchmal bis zu 100m verschoben sind. Ist das die Kontinentalverschiebung? Einige im Navigationssystem als gute gekennzeichnete Straßen stellen sich als Feldwege heraus. Das neue Straßen noch nicht enthalten sind, stört wenig. Größere Städte sind gut angeschrieben.

In dieser Gegend zwischen Armenia und Popayán befinden sich viele Zuckerrohrplantagen. Die Bevölkerung ist vornehmlich schwarz. Wie ich später nachlese, Nachfahren der Sklaven, die vor langer Zeit hier her verschleppt wurden.
Es ist Erntezeit. In den Plantagen sind Arbeiter mit ihren Macheten am Werk. Road-Trains, mit vier bis fünf Anhängern transportieren das Zuckerrohr zur Weiterverarbeitung in eine der Fabriken.

DSCF1336Habe ich schon erwähnt, dass ich hier den ganzen Tag nur fressen könnte. An jeder Straßenecke ist eine kleine Bude oder eine Bäckerei, die etwas zu essen anbietet. Andauernd springen einen Leckereien an, die man kosten möchte. Es ist schwer das Gewicht zu halten.

06.10.
Tag 2 in Popayan. Es ist Sonntag, die Sonne scheint. ich nehme meine Koffer vom Motorrad und möchte ein Dorf etwa vierzig, fünfzig km entfernt besuchen. Im Hostel wird es als Freilichtmuseum empfohlen, alte Häuser, die Einheimischen in bunten Trachten.
Keine Chance das Dorf zu finden. Ich habe keine Karte und die Straßen im GPS sind auch nur dürftig. Ich gerate irgendwie ins Hinterland. Auf steinigen Schotterstraßen geht es viele km durch hügelige Landschaften. Es sind immer wieder Häuser, oder Ansammlungen von Häusern die Straße entlang. Ich bin mir nicht sicher, ob hier schon jemals ein Ausländer gewesen ist. Ohne den ganzen Ballast lässt sich das Motorrad Off-Road viel einfacher steuern. 20, 30, 40 IMAG0327km/h, schneller komme ich nicht voran. Irgendwann passiert. Ein Stein schlägt hart und laut an die Unterseite. Der Motor fällt aus, die Öllampe leuchtet auf. Verdammt, was denn? Ich bin ca. 25 km von der Stadt entfernt mitten im Nirgendwo, auf beschissenen Straßen. Ich bleibe sofort stehen. Der Seitenständer hängt lose runter. Ich sehe nach. Ok, „Glück“ gehabt. Der Stein hat mir die Aufhängung für den Seitenständer zerstört. Wenn der Seitenständer bei eingelegtem Gang runter geht, geht automatisch der Motor aus. Eine Schutzfunktion. Ich gehe ein paar Meter zurück und finde die Federn und die Aufhängung auf der Straße. Notdürftig hänge ich den Seitenständer mit den Federn hoch. Ich fahre noch ein paar km weiter in der Hoffnung auf eine Abzweigung zu gelangen und auf eine Straße, die wieder nach Popayán führt.
Ich gelange durch ein Dorf. Alle scheinen auf der Straße zu sein. Langsam schlängle ich mich auf der schlechten Straße durch das Gewusel an Leuten, Pferden und Motorrädern. In meiner Aufmachung muß ich wohl aussehen wie ein Außerirdischer. Alle begaffen mich. Ich frage nach dem Weg. Popayán? Ich muss wieder zurück. Nach vorne gibt es keinen Weg. Irgendwann verliere ich bei dem ganzen gerüttle auch noch meine Handschuhe, die ich am Tankrucksack in das Gumminetz an der Seite gegeben habe. Handschuhe, kaufe ich bei einem Motorradladen um 10 EUR. Die Leute sind hier kleiner. XL passen mir gerade noch.
IMAG0336Von oben bis unten staubig – ich und mein Motorrad – komme ich wieder in Popayán an. Zurück im Hostel versuche ich zu analysieren, was da genau gebrochen ist. Es scheint, als ob der ganze Stift, der die Platte für die Federn hält verbogen ist. Ich muß da ordentlich gegen einen Stein geknallt sein. Hoffentlich kann man das einfach tauschen. Ich überlege, wie ich das Problem kurzfristig lösen kann. Mit den Federn geht das nicht. Auf diese Weise kann ich den Seitenständer nicht verwenden. Ich brauche ein Gummiband. Wo kriege ich ein Gummiband her?  … Ich habe doch ein Gummiband, dass ich auf die gewünschte Länge zurechtschneiden kann, in meinem Koffer. Hervorragend! Vor ein paar Wochen habe ich mir gedacht: Das schleppst du auch unnötig mit. Die Notlösung funktioniert. Der Seitenständer klappt hoch und geht auch wieder runter. Zumindest bis nach Quito muss das Provisorium halten.
Ich hatte heute zwar etwas Pech, aber es hat viel Spaß gemacht.

07.10.
Ich fahre weiter nach Pasto. Die Landschaft ändert sich. Von grünen Hügeln mehr hin ins braune. Die Berghänge sind steil, die Straßen schmiegen sich an die Berge. Weit geht es hinunter. Ich mag diese Strecken nicht so sehr.

Pasto ist nicht wirklich einen Besuch wert. Das Zentrum ist mit Autos verstopft. Abgase liegen in der Luft. Ein großer Platz im Zentrum, ein paar alte Kirchen. Bloß ein Zwischenstop auf dem Weg nach Ecuador.

08.10.
Es ist kalt. Die Grenze ist nicht weit. Ich bewege mich auf Höhen zwischen 1.500 und 3.500m. Das Fahren macht extrem Spaß. Bloß weiß man nicht wirklich wie man sich anziehen soll. Entweder man friert auf über 3.000 m, weil man zu wenig warme Kleidung trägt, oder man schwitzt auf 1.500 bis 2.000m, weil man zu viel trägt. 1.500 Höhenmeter, das geht innerhalb weniger Minuten. Bei einer Verkehrskontrolle werde ich von der Polizei aufgehalten. Fahrzeugpapiere herzeigen. Ein paar Zivilisten gesellen sich dazu. Ich glaube sie wollten einfach nur ein wenig plaudern, das Motorrad ansehen. Woher, wohin, das übliche.

Der Grenzübertritt dauert, wie üblich, ist aber bei etwa 20C weitaus angenehmer zu ertragen, als in der brütenden Hitze in Zentral Amerika.

Danke fürs Lesen, Jürgen.

Fotos Album Flickr


Kommentare

2 Antworten zu „Knochen brechen“

  1. Hey Jürgen,

    hab mal ein wenig in Deinem Blog geschnarcht. Klingt ja dramatisch! Hast Du denn Dein “ Provisorium“ wieder in den Griff bekommen? Alles Gute und ne sichere Reise!

    Tino

    1. Hi Tino,
      Halb so schlimm, habe eine temporäre Lösung mit Gummizug gefunden die super hält.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert