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Höhen und Tiefen

26.10., 27.10., 28.10.

Caraz – Huanuco – Huancayo. 750km

IMG_0654Ich bin diesmal zwar besser vorbereitet als beim letzten Mal, habe alles griffbereit, Socken, T-Shirts, Gesichtsmaske, kalt und beschissen wird es trotzdem.

Gut die Hälfte der Strecke, z.B. Cerro de Pasco nach Junin und weiter, führt auf weiten Hochebenen, zwischen 4.000 und 4.400 dahin. Es regnet, der Wind weht kalt. Es ist ein Graus bei diesen Bedingungen zu fahren. Es ist Regenzeit in den Bergen, die von Oktober bis inkl. März dauert.

In Huanuco gehe ich am Abend noch zum Bäcker. Ich möchte ein paar Kleinigkeiten kaufen. Ich zeige mit meinen Fingern, dass ich 2 Stück von einem Gebäck haben möchte. Die Dame hinter dem Tresen beginnt einzupacken.

Ich zeige nochmal 2.

Sie: Si, 2 Soles.

Ich: Nein, 2 Stück.

Sie: Si, 2 Soles.

Bringt nichts. Ich halte den Mund und sehe zu wie sie unaufhörlich einpackt. Für 2 Soles, umgerechnet 0,6 EUR Cent erhalte ich 20 Stück von kleinen runden Strizzeln. Das Frühstück für die nächsten Tage ist gesichert. Seitdem frage ich vorher immer nach, wenn ich Kleingebäck kaufe.

IMG_0652Nach Hunancayo ist die Straße anfangs eine einzige Katastrophe. Sie ist mit Schlaglöchern übersät, stellenweise besteht sie nur aus Schotter. Ich fahre durch Dörfer, deren Straßen nur aus Erde bestehen, nun schlammig, vom Regen aufgeweicht. Ich komme kaum nach mir mit einem Tuch das Visier von den Kotspritzern sauber zu halten. Es nieselt leicht dahin. Die ansonsten staubigen Straßen verwandeln sich in dreckige Wege.

Dann, auf den letzten 100km ist die Strecke wieder einspurig im steilen Gebirge, unterbrochen von Senken, an denen das Wasser talwärts rinnt. Mit nicht mehr als 25kmh krieche ich dahin.

Auch die Straßenköter sind in Peru verblödeter als anderswo. Es jagen mir hier mehr Hunde hinterher, als in den anderen Ländern. Manchmal laufen sie direkt vor das Motorrad. Man muß achtgeben, dass man sie nicht überfährt. Das tun sie übrigens oft auch bei Autos. Das Ergebnis sieht man zeitweise, wenn sie zermantscht auf der Straße liegen. Hin und wieder mache ich mir den Spaß und fahre langsamer, so daß sie mich gerade nicht erwischen und lasse sie eine Weile hinter mir herjagen.

Vollkommen verdreckt, müde und ausgelaugt erreiche ich Huancayo. Es geht mir überhaupt nicht gut. Ich habe leicht Fieber. Am nächsten Morgen checke ich eine 2 Nacht ein und bleibe im Bett. Von Essen, so wie am Vortag noch immer keine Rede.

Mit dem Essen, das ist auch so eine Sache. Hier werden Vor- und Hauptspeise auf einmal gebracht. Manchmal stand die Hauptspeise noch vor der Suppe auf dem Tisch. Das war etwas gewöhnungsbedürftig. Von Rindfleisch möchte ich abraten. Ich habe es zweimal bestellt und wurde zweimal enttäuscht, war zäh wie Leder. Vielleicht hatte ich auch nur Pech.

Am Nachmittag gehe ich kurz raus. Ich hole mir vitaminhaltige Fruchtgetränke und Wasser. Medikamente habe ich noch. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie ich liegen soll. Zumindest schlafe ich heute länger durch, als die Nacht zuvor.

Da war er, der Moment, wo ich mir gedacht habe: Warum? Der Moment, wo du dein Motorrad in eine Ecke stellen und für eine Woche nicht einmal ansehen möchtest.

29.10., 30.10.

IMG_0682Mir geht es wieder besser.

Beim Verlassen des Hostels, Hostel Samay, übrigens eine sehr sehr nette Familie, warnt mich die Hostelbetreiberin vor korrupter Polizei. Das kann ich bis jetzt überhaupt nicht bestätigen, ganz im Gegenteil. Ich wurde ein paarmal aufgehalten, und bis jetzt empfinde ich die peruanische Polizei als die freundlichste von den Ländern die ich durchquert habe. Am zweiten Tag oder so, haben mir zwei sogar den Rat gegeben langsam zu fahren, weil auf der weiteren Strecke, vielleicht Radarpistolen eingesetzt werden.

Polizei ist hier aber leicht zu erkennen. Schon von Weitem sieht man sie. Sie stehen in weißen Nissan Geländewagen, entweder mit offenem oder geschlossenem Heck, quer zur Straße.

Ich habe die Berge satt und fahre zurück an die Küste. Für heute habe ich mir eine kurze Etappe von knapp 250 km vorgenommen. Das kann auf diesen kurvigen oft einspurigen Bergstrecken zwischen 5 und 6 Stunden Fahrt bedeuten.

Der Wettergott meint es gut mir mir. Es bleibt sonnig. Heute ziehe ich jedoch alle Register. Anstatt nur 2, trage ich 3 T-Shirts, zusätzlich die lange Unterhose und meine Mütze unter dem Helm. Auf diese Weise und bei dem sonnigen Wetter ist die Fahrt erträglich. Bevor es wieder bergab geht, muss ich noch mal hoch, auf über 4.700m.

IMG_0685Dann führt die Straße entlang des Rio Canete. Je weiter ich ins Tal komme, umso wärmer wird es. Ich genieße die Fahrt und die Landschaft. Auf halbem Weg wird eine Brücke repariert. Ich muss den Fluß kreuzen. Der Fluss ist breit, das Wasser rinnt stark. Ich fahre durch. Es wird tief. Das Wasser langt mir fast bis an die Knie. Ich bin fast am Ufer .. fast. Zack liege ich im kalten Wasser. Zwei Arbeiter eilen heran und helfen mir das Motorrad hochzuhieven und auf die Straße hochzuschieben. Muss das sein? Kann es nicht einen Tag gut laufen?

Meine Koffer sind nach diversen Umfallern alles andere als dicht.

Ein Stück weiter bleibe ich stehen und mache Pause. Ich breite meine nassen Sachen in der Sonne aus. Sie trocknen schnell, die Sonne brennt stark vom Himmel.

In Lunahuaná checke ich erneut für 2 Nächte ein. Ich muss meine müden Knochen etwas ausruhen.

Am nächsten Morgen haben ein paar Spaßvögel von Hotelgästen gewagt, sich an meinem Motorrad zu vergreifen. Wollten es wahrscheinlich aufrichten. Die Alarmanlage ging los. Ich weiß nicht wer es war. Als ich draußen war, hatten sie sich wieder verteilt.

Mein Motorrad wird vom Dreck der letzten Wochen gereinigt. Es wurde Zeit. Ein kleinerer älterer Typ führt die Arbeit durch. Wann immer er das Motorrad ein Stück weiterschiebt, reißt es mich vom Stuhl, weil ich Angst habe, dass er mit samt Motorrad umfällt und darunter begraben wird. Bringt ihm mal ein 1200er vorbei, das wird ein Spaß zuzusehen. :-)

Ich nutze den Vormittag, um auch die Motorradkleidung etwas zu reinigen und kleine Wartungsarbeiten durchzuführen.

Dann springe ich in den Pool. Ich hätte nicht gedacht, dass ich in Peru die Badesachen gebrauche. Der heutige Tag tut ziemlich gut.

Am späteren Nachmittag komme ich bei einem Spaziergang durch das Dorf an einem Friseur vorbei. Ich entscheide mich, auch diese Sache noch zu erledigen. Es eine kleine einfache Bude, ein Stuhl für Erwachsene und einer für Kinder. Am Spiegel hängt ein Aufkleber, ich übersetze das mal frei: „Dies ist ein katholisches Haus. Protestanten und andere Sekten mögen sich bitte fern halten.“

Hier wird noch auf die klassische Art gearbeitet. Kamm und Schere sind das einzige Werkzeug.

Die Dame ist die ganze Zeit über reserviert und blickt etwas grimmig drein. 4 Soles / 1,1 EUR soll das ganze kosten. Als ich ihr 5 Soles gebe, strahlt sie über das ganze Gesicht.

31.10., 01.11.

Ich bin wieder auf der Panamericana Richtung Süden unterwegs. Es hat sich noch immer nichts verändert. Die Panamericana ist nahe an der Küste ein langes verschmutztes Band, das durch eine Wüstenlandschaft und wenig attraktive Städte und Dörfer führt und auf dem man ständig gegen den Seitenwind ankämpft. Nach Ica beginnt die Strecke schöner zu werden, die Entfernungen zwischen den Siedlungen werden größer. Die Wüste hat hier mehr Reiz, es ist auch nicht mehr so verdreckt.

DSCF1489Oft fährt man in Schräglage dahin. Spannend ist es immer, wenn man einen LKW überholt. Für einen Moment herrscht Windstille, bevor einen der Wind wieder mit voller Stärke in die Mangel nimmt.

Nach den kurvigen Strecken der letzten Tage ist es geradezu erholsam eine Weile zügig nur geradeaus zu fahren. Bei guter Musik kann man auch mal die Gedanken schweifen lassen.

Am Straßenrand sind kleine Bäume gepflanzt, die mit Stricken festgebunden sind, damit sie nicht vom Wind umgeweht werden. Sie wirken wie karge Geschöpfe, die mit ihren Ästen nach etwas greifen zu scheinen.

In Peru sind mir unterwegs einige Radfahrer begegnet. Auf Meereshöhe in der Wüste und auch in den Bergen auf über 3.500 Metern. Vollbepackt treten sie langsam in ihre Pedale. Ich grüße auch diese ZweiradChaoten.

DSCF1492In Nazca ist Maria Reiche öffentlich stark sichtbar, nicht überall mit vollem Glanz.

Heute ist Halloween. Als ich am Abend rausgehe, um essen zu gehen, kann ich meinen Augen kaum trauen. Eltern, also fast nur Mütter, laufen mit ihren verkleideten Kindern durch die Straßen. Dort wo ein Geschäft Süßigkeiten anbietet, bilden sich Trauben. Die Straßen sind brechend voll.

 

DSCF1496Da sich die Nazca Linien vom Boden aus schwer betrachten lassen, gehe ich in die Luft.

Kann mir eine der Damen erklären, wozu man für einen halbstündigen Rundflug in einem Kleinflugzeug einen ganzen Sack voll mit Hygeneartikel benötigt?

Und dann fängt sie auch noch zu schimpfen an, als ihr bei der Sicherheitskontrolle Flüssigkeiten weggenommen werden.

Danke fürs Lesen, Jürgen.

Fotos Album Flickr


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