"j": start of construction 1975, finished 1976 … and still running

Lamas kreuzten seinen Weg

Die Überschrift würde sich hervorragend als Buchtitel eignen. :-)
Der letzte Beitrag ist schon eine Weile her. Anfang Dezember habe ich eine Erkältung eingefangen, die ich eine Weile mitgeschleppt habe. Das kalte Wetter hat auch nicht unbedingt zur vollständigen Genesung beigetragen. Da hatte ich ganz einfach nicht viel Lust zu schreiben oder großartig etwas zu unternehmen. Mittlerweile geht es mir wieder gut und ich bin schon weit im Süden in El Calafate angekommen. Aber der Reihe nach.

30.11. – 02.12.
Noch in Valdivia in Chile.
Christian, ein Gast aus Uruguay im Hostel, wollte die letzte Nacht mit dem Bus nach Argentinien weiterreisen. Er ist aber spät abends wieder ins Hostel zurück gekommen. Es geht kein Bus mehr. Anscheinend streiken die Zollbeamten, es dürfte tagsüber aber einen Notbetrieb geben. Ich versuche es und fahre am Morgen Richtung Argentinien los, im schlimmsten Fall muss ich umkehren.
Die Befürchtungen sind unbegründet. An der Grenze ist wenig los, die Aus- und Einreise dauert nicht sehr lange.
Bald hinter der chilenischen Grenze ändert sich die Landschaft drastisch. Ein weiter Landstrich ist grau und düster. Die Bäume sind tot und die Landschaft ist mit Schotter bedeckt. Das Ergebnis von Vulkanausbrüchen? Ich kann es nicht rausfinden.

Die nächsten 2 Tage bin ich in Bariloche. Landschaftlich sieht es aus wie in der Schweiz. Die Architektur in Bariloche ist eindeutig aus diesem Teil Europas geprägt. Auch die Schokolade haben sie mitgebracht. Auf der Hauptmeile von Bariloche findet sich alle paar Meter ein Geschäft, das die Süssigkeit in allen Formen anbietet. Schokoladepaste, Schokoladeriegel, Schokoladefiguren, Schokoladekonfitüre, Schokoladeeis, Schokoladebier, selbst einige Häuser sind aus Schokolade. Die Eigentümer haben alle Hände voll zu tun, um die Kinder fern zu halten, die mit gierigen Blicken um die Häuser schleichen. Am Ortsrand gibt es auch ein Schokolademuseum.

Ich nutze die Gelegenheit, um mich körperlich mal wieder etwas zu betätigen. War schon lange nicht der Fall. Ungefähr 25km von Bariloche in der Nähe von Llao Llao gibt es mehrere Wanderwege durch den Wald.
Die Kronen der hohen Bäume schwanken laut knarzend meterweit im starken Wind hin und her. Ich muss zugeben, das ist ein wenig beängstigend. Entlang des Weges liegen viele abgebrochene Äste und Bäume. Wär‘ doch blöd gerade hier von einem fallenden Ast erschlagen zu werden. Ich sehe zu, dass ich weiter komme.

03.12.-04.12.
Die Fenster im Zimmer im Hostel waren nicht ganz dicht. Es hat ganze Zeit gezogen. Heute morgen fühle ich mich nicht so gut. Eine Erkältung ist im Anmarsch. Bei „kuscheligen“ 5 Grad C mache ich mich trotzdem auf den Weg.
Auf der berühmten Ruta 40 fahre ich gegen Süden. Anfangs noch durch die „Alpen“. Langsam wird die Landschaft karg und die Berge werden zu sanften Hügeln. Der Wind nimmt an Stärke zu. Gegen die Böen, die mich hier manchmal durchrütteln, war der Wind in der Atacama ein Mailüfterl. Mit allen Mitteln versuche ich die Kälte und den Wind davon abzuhalten durch meine Kleidung zu kriechen. Mit Klettbändern mache ich meine Ärmel dicht.

Mit leichtem Fieber komme ich in Esquel an. Ich treffe noch auf Hadas, ein Mädchen aus Israel, das den ganzen Süden rauf und runter getrampt ist. Mit ihr unterhalte ich mich eine Weile und lasse mir ein paar Tips geben. Danach hole ich bloß noch ein Medikament aus der Apotheke, etwas Nahrung aus dem Supermarkt und verschwinde ins Bett.

Am nächsten Tag bleibe ich weitgehend im Bett. Dann sehe ich mir die Route bis nach El Chaltén nochmal an. Die nächste Etappe wäre ca. 550km, die übernächste knapp 600km. 550 km hatte ich in der Atacama schon hinter mir. Aber da waren die Bedingungen bei weitem besser als hier. Bei diesen Temperaturen sind, zumindest für mich, 300km das Maximum am Tag.

05.12.
Das leichte Fieber habe ich zurückgedrängt. Ich entscheide mich wie geplant weiter zu fahren. Heute ist es etwas angenehmer. Der Wind ist nicht so stark, die Sonne scheint bei einem wolkenlosen Himmel.
Die Flora ist karg, braun mit grünen Büschen und vertrocknetes Gras, die Fauna ist jedoch sehr lebhaft. Sehr viele Lamas auf der ganzen Strecke, Schafe, Kühe, Wildpferde und eine Straußenart. Manchmal stehen sie auf oder nahe der Straße, flüchten aber, wenn ich mich nähere.
Pertio Moreno ist bloß eine Zwischenstation im weiten Nichts. Wieder eine dieser Inseln umgeben von Land.

06.12.
Auf dem Weg nach El Chaltén geht es irgendwann ab auf eine Schotterpiste, die es in sich hat. Die Spuren sind ausgefahren. Zwischen den Spuren hat sich der lose Schotter gesammelt, manchmal ist die Piste fest, oft findet sich nur tiefer loser Schotter. Der Wind weht von der Seite. Verbissen versucht man das Motorrad bei höherer Geschwindigkeit in der 30cm breiten Spur zu halten. Gerät man doch mal in den losen Untergrund schlingert man gefährlich dahin. Der Adrenalinspiegel schießt hoch. Geschwindigkeit reduzieren und versuchen auf die feste Spur zu gelangen.
Irgendwo mittendrin treffe ich auf Judie und Steve, ein etwas älteres Pärchen aus den USA. Sie sind seit ungefähr 8 Monaten mit einer Harley unterwegs – mit einer Harley auf dieser Strecke. Ich folge ihnen, da ich nicht sicher bin, ob mein Sprit bis zur nächsten Tankstelle reicht, sie haben noch einen Kanister dabei. Laut knatternd fahren sie vor mir her. Steve erzählt später: „Ich bin mit dem Motorrad auf Straßen gewesen, wo ich nicht hätte fahren sollen.“ Vieles ist kaputt gegangen, aber kleinere Sachen kann er selbst reparieren.
150km geht es so dahin. Eine anstrengende Fahrt, aber es hat Spaß gemacht. Die neue asphaltierte Straße ist bereits im Bau, nur darf man auf der noch nicht fahren. Die Abenteuer werden immer weniger. Nach und Nach wird alles zugepflastert.

El Chaltén ist ein kleines Dorf am Fuße des Mount Fitzroy. Besteht bloß aus Unterkünften, Restaurants, Souvenir- und anderen Geschäften mit allem, was der Trekker und Bergsteiger so benötigt. Von 1 bis 3 Tagestouren rund um den Mount Fitzroy und dem Gletscher ist hier alles zu haben haben.

Die Nähe zur Antarktis macht sich immer mehr bemerkbar. Die Berge sind nicht hoch 1.000 bis 2.500m ein paar Ausreisser über 3.000m. Schneebedeckt sind sie alle. Gletscher winden sich bis tief in das Tal hinab.
Hier unten im Süden bleibt es auch sehr lange hell. Finster wird es erst gegen halb 11 Uhr abends.

07.12.
Ich bleibe weitgehend schlafend im Hostel. Meine Erkältung ist noch nicht weg. Für einen 20 km Marsch zum Gletscher und zurück fühle ich mich nicht fit genug.

08.12. – 11.12.
Eine kurze Fahrt nach El Calafate, kurz heißt etwa 200km oder 3 Stunden. Geplant habe ich nicht viel, ich möchte meine Erkältung auskurieren. El Chaltén liegt landschaftlich schöner eingebettet, El Calafate ist aber etwas größer und hat eine bessere Infrastruktur. Ich verbringe die Tage im Hostel meist vor dem Fernseher. Das hilft, um Husten und Schnupfen weitgehend los zu werden. Der Besuch von Gletschern und dergleichen muss etwas warten.

Unterdessen erreicht mich eine schlechte Nachricht von Andi. Die Auswirkungen des Streiks der Zollbeamten in Chile machen sich bemerkbar. Andis Motorrad steckt noch immer in Valparaiso fest. Ihr könnt euch vielleicht erinnern. Vor über drei Wochen, habe ich das Schiff aus Europa einlaufen sehen. Das Motorrad kommt voraussichtlich mit einer Woche Verspätung in Punta Arenas an. Das wirft die Organisation etwas durcheinander.

Danke fürs Lesen, Jürgen.

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