"j": start of construction 1975, finished 1976 … and still running

Ruta 3, Fahrt ins Verderben

19.01. – 23.01.
Auf der kurvigen Ruta 7 ignorieren wir die Sperrlinien und überholen lange Schlangen von Autos, die hinter LKWs hängen. Wir wollten eigentlich eine andere Route fahren, die aber wegen eines Events gesperrt war. Deshalb mussten wir nochmal ganz Mendoza durchqueren und hatten es etwas satt wieder langsam hinter eine Kolonne zu hängen. Auf einer Strecke, wie dieser scheint es ziemlich klar, dass die Polizei irgendwo wartet. Ich habe mich noch gewundert, wieso alle so brav fahren. Mit einem Schlag wird mir klar, warum.
Ein weiblicher und ein männlicher Beamter winken uns auf die Seite. Zurecht. Für mich ist es nicht das erste Mal. Dumm stellen. Führerschein herzeigen. Ich habe bloß noch eine Kopie meines Führerscheins, die aber nicht mehr so gut aussieht, deshalb gebe ich das Original her. Auch hier in Argentinien wird der Führerschein einkassiert. Der Polizeibeamte zeigt auf seinem Zettel hin und her. Für das Übertreten der Sperrlinie sind irgendetwas zwischen 220 und 400 USD pro Person fällig. Lächerlich. Die „übliche“ Diskussion in sehr gebrochenem Spanisch, es ist Sonntag, wir müssen weiter, wie kriegen wir unseren Führerschein zurück, bla bla bla.
Schon nach kurzer Zeit ist klar worum es geht. Der Polizeibeamte ist gar nicht daran interessiert uns ein Ticket auszustellen. Für 100 USD – 50 pro Person – dürfen wir weiterfahren.
Andi hat über seinen Blog/Forum Kontakt zu einer einheimischen Person. Von dieser erfahren wir später, dass wir mit 100 USD noch ziemlich gut davon gekommen sind. Die Strafen scheinen hier tatsächlich sehr hoch zu sein.

Die nächsten Tage fahren wir auf der Ruta 40 und oft kleineren Straßen Richtung Norden. Wir übernachten in Barreal, San Jose de Jachal, Villa Union, San Augustin de Valle Fertil.

Ich war selbst der Meinung, dass ich nach mehr als 6 Monaten unterwegs nicht mehr so leicht zu beeindrucken bin, dass ich schon „alles“ gesehen habe.

Aber erneut mag die Natur zu verwundern, dass ich zeitweise eine Gänsehaut bekomme. Wir bewegen uns auf einer Seehöhe zwischen 1.000 und 2.000 Metern auf einer weiten Ebene im Randbereich der Anden. Links von uns ragen die Berge mit den schneebedeckten Bergspitzen in die Höhe, rechts von uns begleitet uns eine niedrigere Bergkette. Die Landschaft schillert in allen Farben, rot, brau, hellgrau, grün. Manche Teile werden „die gemalte Wüste genannt“.

Kurz vor Barreal besuchen wir ein Observatorium. Der Blick geht weit in das Land hinein. Selten habe ich eine derartige Stille erlebt. Manchmal ist es der leichte Wind der ein sanftes Geräusch von sich gibt. Hin und wieder zerreisst das Summen einer Fliege die Ruhe. Ich traue mich nur zu flüstern, aus Angst die Natur zu stören.

Wenn wir am frühen Nachmittag in den Dörfern eintreffen, haben wir den Eindruck, wir würden durch Geisterstädte fahren. Die Temperaturen bewegen sich nahe oder über 40 Grad C. Alle Geschäfte haben geschlossen.

In San Jose de Jachal sitzen wir gegen 20 Uhr an einem Kiosk und trinken ein Bier. Im Hotel haben wir erfahren, dass die Restaurants erst gegen 21 Uhr aufsperren. Die Straßen sind noch immer leer gefegt. Langsam beginnt Leben einzukehren. Wir sitzen und beobachten das Geschehen. Die Läden sperren wieder auf, zwischen 21 und 22 Uhr stellen die Restaurants Tische und Stühle auf die Straße. Aus der Geisterstadt wurde eine Ameisenhaufen. Die Restaurants sind voll und um Mitternacht fahren 2 bis 3 jährige Kinder mit ihren Dreirädern durch die Gegend.

In Villa Union sind wir auf der Suche nach einer Unterkunft. Ich bleibe stehen und frage eine Frau. Gleich ist die ganze Familie bei uns, gibt uns Tips. Die Dame setzt sich dann auf das Fahrrad und bringt uns zu einem Hostel. Während ich bei der Unterkunft nach Zimmer und Preisen frage, setzt Andi einen Jungen auf sein Motorrad, der mit seinem Großvater vorbei spaziert ist. Wir treffen den Großvater wieder, als wir bei einem Restaurant an einer Tankstelle essen. Er arbeitet dort als Kellner.

 

Wir besuchen den Talampaya National Park, der durch Wind und Wasser bizzar geformt ist und das Valle de Luna im Ischigualasto Nationalpark. Eine trostlose Landschaft. Bei 46 Grad C sterben wir tausend Tode, als wir mit 15 bis 20 km/h die 40km Runde, einem Konvoi mit diversen Stops folgen. Neben den 5 Sehenswürdigkeiten im Park, sind Andi und ich die 6. Wenn wir 1$ pro Foto bekommen würden, das von uns gemacht wird .. es wäre schon einiges zusammengekommen.

 

24.01.
Über Nacht hat es geregnet. Von über 40 Grad kühlt es auf 18-20 Grad ab.
Wie wir am Abend in Chilecito in den Nachrichten erfahren, hat ein Erdrutsch ungefähr 300 km westlich von uns ein Dorf verwüstet und 9 Tote und ein paar vermisste Personen verursacht.

25.01.
Ruta 3, „unsere persönliche Dakar“ oder „eine Fahrt ins Verderben“
Als wir am Morgen Chilecito verlassen, wissen wir noch nicht, was heute auf uns zukommt. Der heutige Tag sollte die bisher größte Herausforderung auf meiner/unserer Reise werden.
Die Fahrt beginnt gut, das Wetter ist mit uns. Unser Ziel wäre Fiambala in ca. 200 km Entfernung – eine kurze gemütliche Tour. Irgendwo vorher sagt mein Navigationsgerät, wir sollen abbiegen. Leider kennt es die neue Straße noch nicht. Es ist ein Feldweg. Die Straße ist sehr tiefsandig und oft von Flussläufen zerstört, die im Moment jedoch ausgetrocknet, hin und wieder etwas schlammig, sind. Nur sehr langsam quälen wir uns voran. Wir fallen jeweils mehrmals um. Andi vergräbt das Motorrad halb im Sand, ich klemme mir einmal das Bein unter meinem Motorrad ein. Es ist ein Kraftakt. Nach ungefähr 4 km gibt es eine Abzweigung, aber dort wo mein GPS Gerät den Weg anzeigt, gibt es keinen mehr .. nur eine von Wasser zerfurchte Landschaft. Also fahren wir die andere Abzweigung weiter. Auch hier stehen wir nach ungefähr 3 km mitten in einem riesigen Flussbett, kein Weg ist erkennbar. Wir kehren um. Für die 14 km haben wir ungefähr 1 1/2 Stunden benötigt. Durchgeschwitzt und ein wenig erledigt machen wir Pause und sind froh, wieder auf asphaltierten Wegen zu sein. Ein anstrengendes Abenteuer zwischendurch.
Gegen 14 Uhr kommen wir in Tinogasta an. Wir überlegen: Es ist uns zu früh, um schon anzuhalten, knapp 80 km bis Belén, davon 60km auf einem Schotterweg, das kann nicht länger als 2 Stunden dauern. Weit gefehlt.

An der Kreuzung zur Ruta 3 steht ein Schild „Cuesta de Zapata bei Ruta 3 nicht befahrbar“. So viel verstehen wir. Vielleicht ist es ein Ort auf der Strecke der nicht erreicht werden kann. Wir fragen Einheimische, ob die Straße nach Belén führt und ob der Weg OK ist und werden ins Verderben geschickt.

Am Anfang hatten wir zwei, drei Flüsse zu kreuzen, ein paar schlammige Teile, dann Schotterweg, aber die Strecke war nicht so schlimm – noch immer befahrbar. Irgendwann führt sie sehr kurvig einspurig und steinig in die Berge. Hier war die Strecke schon eine größere Herausforderung, aber noch immer befahrbar. Wir hatten etwa 30km bis 35 km hinter uns und noch 20km vor uns, als die Hölle beginnt. Bis zu Fußball große Steine liegen auf dem Weg, an manchen Stellen ist die Straße vom Wasser halb weggespült. Die nächsten 4 Kilometer sollten zur Tortur werden. Langsam quälen wir uns voran. Zum Umkehren ist es zu spät. Der Point Of No Return ist überschritten, es geht nur mehr vorwärts. Mit jeder Kurve hoffen wir, dass das Schlimmste vorüber ist. Wir fallen um, stemmen die schweren Motorräder wieder hoch, wir räumen Steine aus dem Weg. Andi klemmt seinen Fuß ein, der später ziemlich anschwillt.
An zwei Stellen müssen wir Hand anlegen, um weiter zu kommen. Ein mal um Erde abzugraben und einen kleinen Graben zu füllen, ein anderes Mal müssen wir einen etwa 1 Meter tiefen und 1 Meter breiten Graben mit Steinen auffüllen. Wir sind müde und erschöpft. Seit fünf Stunden sind wir auf der Strecke, alleine für die letzen 4 km haben wir fast zwei Stunden benötigt.

Gleich hinter dem Graben, den wir mit Steinen gefüllt haben, war es notwendig nach rechts zu lenken. Andi schafft den Part. Müde und ausgelaugt passieren jedoch Fehler. Besonders auf einer Strecke, die unsere Fähigkeiten übersteigen. Mich hebt es etwas aus und ich knalle mit meiner linken Seite gegen einen Stein. Ein Teil meiner Wasserkühlung ist beschädigt, der Sturzbügel hat vor schlimmeren bewahrt.
Es ist 19 Uhr, ich bin nahe dran alles liegen und stehen zu lassen, als wir beginnen mit Superkleber die Brüche abzudichten. Das funktioniert bedingt, aber wir könne weiterfahren. Zu unserem Glück wird die Straße von nun an besser. Ein paar schwierige Passagen später kommen wir wieder in eine zivilisierte Gegend, wo die Einheimischen schon mit ihren PKWs unterwegs sind – es kann nun nicht mehr so schlimm sein.
Andi, der Unglücksvogel, hat sich diesmal am Vorderreifen einen Platten eingefangen. Wir sind noch 23 km von unserem Ziel entfernt. Bis in die Dunkelheit hinein wechseln wir den Reifen, benötigen Stirnlampe und das Licht meines Motorrades.
Auf dem Weg Nach Belén müssen dann noch anhalten und Wasser in meinen Kühler nachfüllen, weil mein Motor heiß läuft – wir konnten nicht alles ganz abdichten. Bei langsamer Geschwindigkeit und niedriger Motordrehzahl schaffen wir es gegen 22 Uhr in Belén zu sein.
Völlig erledigt aber glücklich, dass wir angekommen sind, finden wir ein Hotel. Bis spät in die Nacht lassen wir den Tag Revue passieren.
Für einen äußerst detaillierten Bericht über die Fahrt, verweise ich auf auch Andi.

26.01.
Überlegen wie es weitergeht. Unsere Motivation ist am Ende, Andis Fuß ist extrem geschwollen. Ich dränge ihn zum Arzt zu gehen. Er will nicht. Von den Leuten im Hotel erhält er eine Salbe, ich besorge Eis.
Wir bemerken, dass Andis Hinterreifen auch platt ist. 7 Platte Reifen in einem Monat. Andi ist komplett am Boden, denkt darüber nach abzubrechen und nach Hause zu fahren. Ich sage ihm, er soll mal einen Tag abwarten. Er schreibt e-mails für den Rücktransport. Auch ich denke nach, wo und wie ich eine Pause machen kann. Der gestrige Tag, die gestrige Strecke, war zu viel .. zu anstrengend .. zu viele Schäden an Mensch und Maschine .. das ist es nicht Wert.

27.01.
Es geht uns wieder besser. Auch Andis Fuß sieht wesentlich besser aus als gestern. Er läßt seine Reifen flicken. Ich versuche alles notwendige für mein Motorrad für die Weiterreise zu besorgen. Alleskleber, um die Risse weiter abzudichten, Kühlflüssigkeit zum Nachfüllen. Es sind 400km bis San Miguel de Tucumán. Bis dorthin müssen wir es schaffen, dort gibt es eine BMW Werkstatt.

Am Nachmittag kommt ein argentinisches Pärchen ins Hotel, wir beginnen zu plaudern. Sie sind aus San Miguel de Tucuman und mit dem Auto auf Urlaub. Ihnen ist mittendrin irgendwo der Schlauch für die Wasserkühlung gerissen. Sind auch festgesessen, hatten kein Wasser mit. Aber er kennt sich damit aus, hat eine Werkstatt oder dergleichen, um solche Sachen zu reparieren.
Später am Abend bringt er einen Komponentenkleber und schenkt ihn mir. Wir dichten meinen beschädigte Stelle ab und machen Fotos von uns, mit ihm auf unseren Motorrädern.

28.01. / 29.01.
Wir entscheiden uns gleich nach Salta zu fahren. Es sind nur wenige Kilometer mehr als bis nach San Miguel de Tucumán und viele andere Reisende haben uns gesagt, dass wir dort unbedingt Halt machen sollen.
Mein Kühler macht keine Schwierigkeiten. Es tritt nur tropfenweise Wasser aus. Nach ungefähr 200km möchte ich an einer Tankstelle nachfüllen. Es fehlt fast kein Wasser. Anscheinend ist die beschädigte Stelle mit dem Komponentenkleber sehr gut abgedichtet.

In Salta sehe ich beim BMW Händler vorbei. Der ganze Kühler müsste getauscht werden, aber es würde 30 Tage dauern, bis das Teil da ist. So lange habe ich keine Zeit. Das Provisorium wird angesehen und für gut befunden. Das heißt, das Provisorium wird vorerst zur Lösung.

Wir bleiben noch bis 2. Februar in Salta. Andis Fuß braucht Ruhe, auch ich benötige eine Pause. Salta mach einen sehr netten Eindruck, hat etwa 450.000 Einwohner, alte historische Gebäude, Kultur. Wie habe ich das vermisst. Es tut gut, nach so langer Zeit in der Pampa und den vielen Problemen in den letzten zwei Monaten, mal wieder in eine Großstadt zu kommen.

Danke fürs Lesen, Jürgen.

Fotos Album


Kommentare

Eine Antwort zu „Ruta 3, Fahrt ins Verderben“

  1. Avatar von motogundy
    motogundy

    naja, kleine anmerkung zu deinen strafen von fufzig $ p.p. costa rica kostet das doppelte, d.h. hundert p.p. oder moto abgeschleppt, aber hier in panama waere der tarif grad mal ein zwanzigstel fällig, darumm hab ich hier immer einige 5er auf der seite. ;-) aber normalerweis´ , bist du auch in PA , gleich mal das moto los, dann strafe zahlen, dann darf man es wieder abholen. guenther

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